Der Petersdom vor blauem und bewölktem Himmel, links oben steht in weißer Schrift Synode mit Söding

Synode mit Söding

Vom 04. bis 29. Oktober 2023 fand der erste Teil der Weltsynode unter dem Motto "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung" statt, an der erstmalig auch Laien stimmberechtigt teilgenommen haben. Unser ZdK-Vizepräsidenten Prof. Dr. Thomas Söding war als theologischer Berater mit dabei und hat uns vier Wochen lang mitgenommen. Lesen Sie hier in seinem Blog “Synode mit Söding” alle Geschehnisse des ersten Teils der Weltsynode nach. 

Synode mit Söding - Tag 26

vom 29. Oktober 2023

Letzter Tag der Synode. Wieder ein strahlender Sonnentag. Aber diesmal ist die Messe im Petersdom. Einzug aller Mitglieder der Synode, wie zum Auftakt. Wieder schön in der gewohnten hierarchischen Ordnung so, als ob alle verstehen sollten, dass es so schnell zu einer Revolution in der katholischen Kirche nicht kommen wird. Zuerst die Laien, dann die Diakone, danach die Priester, schließlich die lange Reihe der Bischöfe, mit den Kardinälen am Schluss.

In seiner Predigt legt der Papst das Sonntagsevangelium aus: Das Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe. Sein Punkt: Das Gesetz darf Gott nicht kontrollieren. Desto weniger dürfen es diejenigen, die es auslegen. In diesem Geist muss die Kirche auftreten. Dann ist sie an der Seite der Armen, der Verletzten, der Migranten - derer in ihrer Mitte und derer jenseits ihrer Grenzen. Die Synode ist ein Schritt, diese Öffnung der Kirche zu wagen. Das ist ihre Mission. Kann die Synode das leisten? Ich würde unterscheiden: zwischen dem Prozess und dem Text. Der Prozess ist wichtiger als der Text. Die katholische Kirche ist eine Weltorganisation, die sprachfähig und handlungsfähig ist. Wodurch? Meine Antwort früher: durch Rom und den Papst, durch das Bischofsamt und das Zweite Vatikanische Konzil. Heute sage ich: auch durch den Synodalen Prozess. Das Bischofsamt ist in der Krise. Das Kirchenvolk muss beteiligt werden. Synoden sind die richtigen Foren, wie immer sie heißen: Pastoral- und Diözesanräte, auch auf Bundesebene. Und so etwas braucht auch die Weltkirche.

Und der Text, der gestern mit überwältigender Mehrheit angenommen worden ist? Eine Bestandsaufnahme dessen, was in den Augen sehr vieler aus der ganzen katholischen Kirche dran ist: viel Unruhe, viel Unsicherheit, viel Ungenügen, aber auch viel Gottvertrauen, dass es eine gute Zukunft gibt, viel Aufbruch, der nach neuen Formen sucht, viel Energie, die besser genutzt werden muss. Wie das geht, ist noch nicht klar. Es gibt viele, viele Ideen.  Nicht immer mit Mumm. Aber mit Impulsen die helfen können.

Jetzt kommt es auf die Basis an. Also die Gemeinden, die Bistümer, die Bischofskonferenz, auch das ZdK: eigene Prozesse steuern, kritisch bleiben, konstruktiv sein Und dann muss die Synode 2024 möglichst viele Nägel mit Köpfen machen.

Heute geht es wieder nach Hause. Gut so.

Dies ist die letzte SMS 2023. Vielen Dank an Elsa Fiebig für die super Zusammenarbeit.

Am Anfang gab es einen Podcast. Auch am Ende wird es einen geben. Am Freitag kommt er heraus.

Synode mit Söding - Tag 25

vom 28. Oktober 2023

Heute kam es zum Schwur. Es war der Tag der Abstimmungen. Ab 11 Uhr konnten sich alle Mitglieder am Informationsschalter der Synodenaula den Text abholen,  über den nachmittags abgestimmt wurde. Über 1000 Modi waren eingegangen. Hier ein neues Attribut, dort ein anderer Begriff. Ein Satz raus, ein Satz rein. Ein Gedanke so, ein Gedanke so ausgedrückt. Der Duktus war geblieben, die Denklinie auch. Aber es war wichtig, dass sich alle Kleingruppen noch einmal intensiv mit der Vorlage befasst hatten und dass alle Mitglieder noch einmal gefragt worden waren. Nicht alle haben die Chance genutzt, aber viele.

Der erste Blick nach 11 Uhr: Sind mein Vorschläge, sind unsere Modi, den Text zu ändern, berücksichtigt worden? Der zweite Blick: Haben andere Änderungen hineinschreiben lassen können, die den Text stärker oder schwächer machen?

Mein Gesamteindruck: Die Vorschläge, die eingegangen sind, sind genauso fair und divers, wie in der Aula diskutiert worden ist. Eine Weltkirche ist zur Synode zusammengekommen. Dass es zu LGBTQ, zur Frauenordination, zu Demokratie in der Kirche unterschiedliche Auffassungen gibt, war bekannt und kam auch in der Synode klar heraus. Aber die Unterschiede hindern nicht, dass man zusammenbleiben und weitergehen will. Und alle, die internationale Konferenzen kennen, wissen, dass man mit Zuspitzungen wenig erreicht, sondern oft weichere Formulierungen braucht - die dann Stoff für kontroverse Deutungen liefern. Klar ist jetzt schon: Die einen werden faule Kompromisse beklagen, die anderen sich über ketzerische Gedanken mitten im Vatikan aufregen. Alte Hasen reiben sich verwundert die Augen, wie offen auf einmal über Themen gesprochen wird, die lange tabuisiert worden waren. Andere schütteln den Kopf, was alles immer noch nicht selbstverständlich in der katholischen Kirche ist. Die "drafter" haben einen guten Job gemacht. Jetzt muss die Versammlung ran.

Um 15.30 startet die Sitzung. Der gesamte Text, 40 Seiten, wird von verschiedenen Mitgliedern auf Italienisch vorgelesen, immer abwechselnd von einer Frau und einem Mann. Es gibt 20 Abschnitte. Absatz für Absatz wird der Entwurf abgestimmt. Elektronisch. Jeder braucht eine 2/3 Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder. Mehr als 273 Abstimmungen sind notwendig. Ein Absatz, der dieses Quorum nicht erreicht, fliegt raus. Das allein dauert mehr als drei Stunden.

Ein wenig dauert die Abstimmung. Dann zeigt sich: Es hat sich gelohnt, Endergebnis: 336  Ja-Stimmen und nur 10 Nein.  Kaum ein Paragraph mit weniger als 300 Stimmen Zustimmung. Meistens an die 340. Gegen Strukturen sexualisierter Gewalt, gegen die Exklusion von Gläubigen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, für die Stärkung von Frauenrechten, für Partizipation von Laien, für Transparenz und Rechenschaft. Ja, alles hätte noch klarer, schärfer, selbstkritischer gesagt werden können. Ich sage dennoch: Ein Durchbruch. Jetzt muss der Weg weitergehen.

Synode mit Söding - Tag 24

vom 27. Oktober 2023

Die Zielgerade der Synode ist in Sicht. Die Kräfte für den Endspurt werden gesammelt. Heute wurde der Zeitplan wieder verändert. Vormittags Aussprache über die Frage, wie die erste Phase in die Kirchen vor Ort vermittelt werden und damit die zweite Halbzeit, die im Oktober 2024 angepfiffen wird, gut vorbereitet werden kann. Heute Nachmittag hat die Synode wieder frei, ebenso Samstagvormittag: Unter Hochdruck müssen die vielen, vielen Modi für die Zusammenfassung („Sintesi“) zusammengefasst werden. Am Samstagnachmittag ist dann von 15.30 bis 19.30 vorgesehen: Gebet, Lesung der Zusammenfassung, Annahme, Grußworte (also Abschiedsworte) der Präsidenten und eine Ansprache („Discorso“) des Heiligen Vaters.

In der Aula ist der Eifer groß, Ideen zu verbreiten, wie die Synode ihre römische Blase verlassen und in den Kirchen vor Ort ankommen kann. Ich denke mir: Hätte es eine offenere Kommunikation gegeben, wäre die Aufgabe nicht so schwer geworden. Jetzt ist von Kurzfassungen und pastoralen Trainingskonferenzen die Rede, von Übersetzungen, von Materialien für Schule und Katechese, von Versammlungen der Bischofskonferenzen und am besten auch von Kontinentalsynoden. Alles das im laufenden Betrieb. Einfach wird es nicht, so wünschenswert es auch ist.

Morgen ist der Tag der Abstimmungen. Heute gab es einen Test, der funktioniert hat. Die Regeln sind klar. Der ganze Text wird durchgegangen, Abschnitt für Abschnitt. Jeweils ist eine 2/3 Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Enthaltungen sind nicht erlaubt. Ja oder Nein – das ist die Frage: und dann sind die Ausführungen darüber, was gemeinsam gesagt werden kann, wo es Themen zu vertiefen gilt und welches die nächsten Schritte sein können, entweder Teil des beschlossenen Textes oder nicht. Es wird sehr spannend.

Gestern hat der amerikanische Rechtsausleger, „The Pillar“, die Regeln gebrochen. Er hatte schon früh die Cloud der Synode betreten, obgleich er keine Berechtigung hatte, die Texte zu lesen. Jetzt hat er lang und breit aus der Beschlussvorlage zitiert, offensichtlich, um Stimmung zu machen, dass sie zu „liberal“ sei. Wir werden sehen, was das Manöver bewirkt. Die Zeitung kennt den kompletten Text. Sie kann daraus zitieren und mit ihr Vergleiche anstellen, wie sie will. Wenn sich alle anderen an die Regel halten, bestimmt „The Pillar“ die Agenda. Das ist ein hoher Preis für die defensive Kommunikationspolitik der Synode, die vom Dikasterium für die Kommunikation gesteuert wird.

Heute Abend ist im Petersdom ein weiteres Friedensgebet – als Teil des Fastentages, den der Heilige Stuhl ausgerufen hat. Ich bin gespannt, welche Themen angesprochen und welche Töne angeschlagen werden. Zum Überfall der Hamas, zur Verteidigung Israels und zur drohenden Eskalation der Gewalt im Heiligen Land gab es bislang nicht viel. Zu anderen Kriegen auch nicht. Wie der Heilige Stuhl auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert, wird in der Öffentlichkeit kritisiert. Das Gebet heute ist ein Gebet und keine Kundgebung. Aber viele warten auf klare Worte.

Die Delegation aus Deutschland geht danach zu Sant’Egidio, der weltbekannten Laienbewegung für den Frieden. Die deutsche Abteilung ist im ZdK vertreten. Es geht um einen Austausch. Es geht auch um ein kleines Zeichen, dass die Synode nicht um sich selbst kreist, sondern sich für eine Erneuerung der Kirche einsetzt, damit der „Gott des Friedens“ (Röm 15,33) mehr Menschen findet, die den Frieden verbreiten.

Morgen wird der Blog vermutlich erst spät kommen. Ich will ihn nicht schreiben, bevor nicht alle Abstimmungen erfolgt sind.

Am Sonntag wird dann dieser Teil der Synode mit einer Eucharistiefeier im Petersdom enden.

Synode mit Söding - Tag 23

vom 26. Oktober 2023

Heute ist ein Tag intensiven Nachdenkens. Die erste Version des Abschlussberichtes liegt vor. Englisch und Italienisch sind die Hauptsprachen, weitere inoffizielle Übersetzungen kursieren. Ich bin gespannt, wie lange sie unter Verschluss bleiben.

Das Programm der Synode ist geändert worden. Den ganzen Tag über tagen die Kleingruppen. Sie sollen sehr sorgfältig die 41 Seiten der Vorlage studieren. Sie sollen dann konkrete Vorschläge für Änderungen machen: Was soll ausgelassen, was soll hinzugefügt, was soll anders formuliert werden? Möglichst kurz sollen die Modi sein, knapp begründet. Abgabe: heute um 19.30. Morgen wird dann den ganzen Tag redigiert. Am Samstag wird abgestimmt.

Wer kann Anträge stellen? Alle Mitglieder der Synode. Sie müssen ihren Namen nennen; sie müssen präzise aufschreiben, was sie geändert haben wollen, und sie müssen unterschreiben.

Aber klar ist: Mehr Gewicht hat, was aus den Kleingruppen kommt. Sie sollen über Vorschläge ihrer Mitglieder diskutieren und entscheiden, welche sie sich als Gruppe zu eigen machen. Eine Mehrheit muss dafür sein, mindestens 50 % und eine Stimme. Das Abstimmungsergebnis wird mitgeteilt, damit eingeschätzt werden kann, wie groß der Konsens oder der Dissens ist. Die Zahl der Anträge ist nicht begrenzt. Meine Erwartung: Es werden sehr viele Anträge kommen – nicht, weil die Textvorlage schlecht wäre, sondern weil sich viele Köpfe über das Papier beugen und gute Ideen haben.

Auch die Gruppe der „experts“ ist eingeladen, den gesamten Text noch einmal Punkt für Punkt durchzugehen und gleichfalls Verbesserungsvorschläge zu machen. Wir haben ihn gestern Nachmittag und dann noch einmal später am Abend gelesen. Wir haben uns heute wieder in Sprachgruppen vor Ort getroffen, von 9-12.30 Uhr, und die wichtigsten Punkte, die uns aufgefallen waren, gleich aufgeschrieben und an Riccardo Battocchio gesandt, den Spezialsekretär der Synode, Präsident der italienischen Theologievereinigung. Je früher die „writers“ informiert werden, desto besser ist die Chance, dass sie mit der gebotenen Konzentriertheit auf die Vorschläge reagieren können.

Kondition ist auf der Synode gefragt. 2023 ist der erste Teil absolviert, 2024 folgt der zweite. Zwei Halb-Marathons nacheinander: Das ist nicht ohne. Desto wichtiger ist es, die Zeit zwischen den beiden Teilstrecken zu gestalten: die erste Halbzeit analysieren, Kraft tanken, die zweite Halbzeit vorbereiten. Morgen wird die Synode beraten, wie es weitergeht.

Synode mit Söding - Tag 22

vom 25. Oktober 2023

Heute war ein Schlüsseltag der Synode.

Zum einen ist der „Brief an das Volk Gottes“ veröffentlicht worden. Vor zwei Tagen sollte er per acclamationem verabschiedet werden. Es gab aber Einwände – weniger gegen den Duktus des Textes als gegen das Verfahren. Es gab auch noch Vorschläge, was in den Brief aufgenommen werden sollte, vor allem die neue Zusammensetzung der Synode. Heute Nachmittag ist eine Version 2.0 per regelgerechter Abstimmung angenommen worden. Die Zustimmungsquote war überwältigend.

Den blumigen Stil des Briefes muss man mögen. Aber immerhin heißt es jetzt: „Zum ersten Mal waren auf Einladung von Papst Franziskus Männer und Frauen aufgrund ihrer Taufe eingeladen, an einem Tisch zu sitzen und nicht nur an den Diskussionen, sondern auch an den Abstimmungen dieser Bischofssynode teilzunehmen. Gemeinsam, in der wechselseitigen Entsprechung unserer Berufungen, Charismen und Ämter, haben wir intensiv auf das Wort Gottes und die Erfahrungen der anderen gehört.“ Es ist bezeichnend, dass dies, die Beteiligung von Menschen, die nicht als Bischöfe geweiht sind, wie eine kleine Revolution scheint, der vor allem Frauen ein Gesicht geben. Aber es ist passiert – und so leicht wird das Rad der Geschichte nicht zurückgedreht werden können. Der Brief sagt das nicht. In ihm wird die Geschichte erzählt, positive Erfahrungen werden genannt – programmatische Themen fehlen. Sie gehören, heißt es, in die „Zusammenfassung“. Auch die ist heute in einer ersten Fassung ausgeteilt worden, streng vertraulich. Ich halte mich an die Regeln. Freie Aussprachen beginnen – die Redezeit wird auf 2 Minuten begrenzt. Frankfurt lässt grüßen. Kleingruppen werden folgen.

Zum anderen gab es vorgestern – Medien haben berichtet – ein Grummeln, wer denn „wir“ sei, wenn die Synodenversammlung spreche. Ist sie nun eine Bischofssynode, wie es in den Statuten steht? Oder ist sie durch die Berufung von achtzig weiteren Mitgliedern etwas Anderes? Der Papst hat das Recht, einzuladen, wen er will. In der Apostolischen Konstitution zur Kurienreform (und zu mehr), Praedicate Evangelium, ist nicht mehr von „Bischofssynode“, sondern von „Synode“ die Rede. Kardinal Grech hat mit offenkundiger Rückendeckung durch den Papst klargestellt, dass die Autorität der Bischofssynode nicht im mindesten dadurch eingeschränkt wird, dass 80 weitere Personen mit Sitz und Stimme teilnehmen.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat nicht nur ein meinungsstarkes Interview gegeben: „Die in allem sichtbare Agenda (Segnung von außerehelicher Sexualität, vor und außer der Ehe, Diakonat und Priesterweihe für die Frau, Einebnung des Unterschieds von Priestern, Bischöfen und Laien) war sichtbar“ – was er offenbar nicht gut findet. Von ihm ist auch, entgegen dem päpstlichen Regolamento, der Redebeitrag in der Aula veröffentlicht worden. Man stelle sich vor, dies hätte ein anderes Synodenmitglied gemacht, das sich gegen die Exklusion der LGBTQ-community ausgesprochen hat.

Also: Wie Synodalität konkret und nachhaltig wird, wie sie organisiert wird, wie Bischöfe sich einbinden lassen in die Beratungen und Entscheidungen des ganzen Gottesvolkes, dessen Leitung ihr Amt ist: Auf diese Fragen braucht es neue Antworten, lokal, regional, national, kontinental, global. Das Timing für die Beratung der „Synthese“ ist verändert. Es gibt mehr Arbeits- und weniger Freizeit für die Synode. Bis Samstag wird an der „Synthese“ noch hart gearbeitet: in Kleingruppen, in der Aula, im Theologie-Kreis. Dann wird abgestimmt – und es wird sich zeigen, ob die Weichen richtig gestellt sind.

Spontan ergreift nachmittags der Papst das Wort: Kirche ist Volk Gottes, heilig, obgleich sündig, gläubig auf dem Weg. Keine politischen Schemen der Zeit hat Jesus übernommen. Er setzt die Traditionen Israels fort. Gottes Volk ist unfehlbar „in credendum“: Wie der Glaube geht, zeigen die Menschen, wie sie leben. Das Volk Gottes hat eine Seele. Im Volk wird der Glaube weitergegeben: vor allem in weiblicher Sprache. Die Kirche ist weiblich. Klerikaler Machismo macht die Kirche kaputt. Kirche ist kein Supermarkt der Erlösung, die Priester sind nicht Angestellte in einem internationalen Konzern. Das Kirchenvolk muss den Klerikalismus erdulden – also muss er überwunden werden.

Starker Applaus.

Synode mit Söding - Tag 21

vom 24. Oktober 2023

Heute hat die Synode „frei“. Denn morgen steht die erste Lesung der „Sintesi“ auf dem Programm. Heute wird sie geschrieben, redigiert, kontrolliert. Wie entsteht der Abschlusstext der Synode, Teil 1?

Die Spielregeln sind klar. Die Mitglieder der Synodalversammlung haben das Wort. Was sie sagen, zählt. Aber von den über 30 Kleingruppen sind in vier Wellen so viele Impulse ausgegangen, dass die Beiträge geordnet, reflektiert, verbunden und aufbereitet werden müssen. Das ist die Aufgabe der „esperti“. Sie haben Sprachzirkel gebildet und immer alles studiert: das, was gesagt wurde, aber bei den freien Interventionen auch das, was aus Zeitgründen nur schriftlich eingereicht werden konnte. Sie beliefern den Generalrelator, Kardinal Hollerich aus Luxemburg.

Die Expertise-Gruppe war der Synode immer einen Schritt hinterher – und gleichzeitig einen Schritt voraus. Wenn Abschnitt B I („Communio“) in der Synodalaula eingeführt wurde, ist Teil A (Grundlagen) für den Abschlusstext aufbereitet worden; wenn B II („Mission“) dran war, musste der Ertrag von B I, bei B III („Partizipation“) musste B II vorbereitet sein -und B III musste gesichert sein, während an den früheren Teilen schon intensiv weiter gefeilt wurde.

Das war die Arbeit bis zum vergangenen Sonntag: Welche Übereinstimmungen gibt es? Welche Spannungen sind aufgebrochen? Welche Ideen für Vertiefungen und Weiterführungen gibt es? Welche Vorschläge zum weiteren Vorgehen gibt es? Möglichst knapp, nicht mehr als 1-2 Seiten zu jedem Unterthema: das war die Aufgabe.

Jetzt sind die „writers“ dran: vier Mitglieder der Theologie-Gruppe, die italienische und englische „native speaker“ sind. Das Synodensekretariat hat sie bestimmt. (Ich gehöre nicht zu dieser Gruppe.) Die „writers“ haben die wahrlich nicht einfache Aufgabe, zu elementarisieren, ohne zu simplifizieren, und zu fokussieren, ohne zu selektieren. Unter großem Zeitdruck.

Und unter Aufsicht. Denn sie müssen ihrerseits zuerst die „Commission for the synthesis of the document“ überzeugen. Ihr gehören als Chef Kardinal Hollerich und ex officio Kardinal Mario Grech, der Chef des Synodensekretariats, und Riccardo Battochio an, als Spezialsekretär für die  Theologie, überdies, von der Versammlung gewählt, die Kardinäle Besungu (Kinshasa / Kongo), Aveline (Marseille / Frankreich) und Lacroix (Quebec / Kanada) sowie die Bischöfe Azuaje Ayala (Maracaibo / Venezuela), MacKinlay (Sandhurst / Australien) und, für die katholischen Kirchen des Ostens, der maronitische Bischof Khairallah (Batrun/Libanon), überdies Reverend Davedassan (Malaysia). „Pontificial appointed“ sind zudem Kardinal Marengo (Ulan Bator), P. Giuseppe Bonfrate, Professor an der Gregoriana, einer der „Presidenti delegati“, und als einzige Frau Patricia Murray vom Generalsekretariat der Ordensoberen, die zur Gemeinschaft der Loreto-Schwestern gehört. Sie entscheiden über den Text, der dann intensiv diskutiert werden muss.

Was die Synode also morgen zu Gehör und zu Gesicht bekommt, ist durch viele Hände gegangen. Dieser Instanzenzug sichert, dass es keine Ausreißer gibt. Wie sehr er für Qualität bürgt, wird sich zeigen.

Synode mit Söding - Tag 20

vom 23. Oktober 2023

Heute beginnt die letzte Woche der Synode. Beim Gruppen-Photo mit dem Papst, das heute in der Aula aufgenommen wurde, stehe ich in der letzten Reihe neben dem Kardinal von New York, Timothy Dolan. Beide, stellen wir fest, überlegen, welche Geschichte wir ab nächstem Montag zu Hause erzählen können: Vier Wochen Rom – hat sich der Aufwand gelohnt? Was kommt heraus? Wie geht es weiter? Ich bin nicht ganz sicher, ob wir ähnliche Antworten im Sinn haben …

Die Kommunikation der Synode war und ist von Anfang an ein Problem. Einerseits setzt Synodalität Partizipation voraus, und zwar nicht nur der Synodalen untereinander, sondern auch derer, die hier in Rom sind, mit dem „Rest der Welt“, also mit den vielen Peripherien der Gesellschaft und der Kirche, die das wahre Zentrum sind. Andererseits ist zwar den Mitgliedern der Synode kein „päpstliches Geheimnis“ auferlegt worden, aber im Ganzen herrscht eine – vorsichtig ausgedrückt – defensive Kommunikationspolitik. Diese Strategie hat der Synode nicht besonders gut getan, weil sich die Aufmerksamkeit z.B. auf kardinale Modefragen fokussierte (wer trägt Soutane?), aber nicht auf die vielen Ideen und Inhalte, die auf den Tisch gelegt wurden. Die öffentlichen Pressebriefings haben zwar in Laufe der Zeit an Qualität und Offenheit zugenommen. Aber frühere Synoden waren souveräner. Der Grund für die jetzige Zurückhaltung ist offensichtlich: Abschreckend war der öffentliche Angriff des traditionalistischen Kardinals Sarah, des früheren Leiters der vatikanischen Liturgie-Behörde, gegen Kardinal Reinhard Marx, den Erzbischof von München, nachdem der auf einer früheren Synode für eine Änderung der katholischen Sexuallehre plädiert hatte: realistischer, ehrlicher, näher an den begründeten Überzeugungen von Ehepaaren und jungen Leuten. Aber ob dieses frühere Foul reicht, um Synodalen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zu erlauben, öffentlich zu kommunizieren, was sie gesagt haben? Auch die Öffentlichkeitsarbeit einer Synode muss synodal geöffnet werden, sonst verfestigt sich ein performativer Selbstwiderspruch.

Heute wurde in der Aula ein „Brief an das Volk Gottes“ vorgestellt, der noch einmal die Geschichte der Synode zusammenfassen soll und die Herzen der Gläubigen erreichen soll. Ob das gelingt, wird man sehen. Der Brief wurde in der Aula vorgelesen – mit dem Hinweis, dass er per acclamationem angenommen werden könne. Der erhoffte Applaus kommt dann auch. Aber der Text ist noch nicht fest. Eine sehr kurze Aussprache folgt, nicht nur mit Ergebenheitsadressen. Die Kleingruppen haben knapp Zeit, sich auf Änderungsanträge zu verständigen. Ob sie am Brieftext noch etwas ändern, wird sich zeigen.

Dass Kommunikation auch anders geht, haben die Synodalversammlungen in Frankfurt gezeigt: Presseöffentlichkeit war garantiert; sogar ein Livestream wurde geschaltet. Er ist auf sehr großes Interesse gestoßen. Am 10./11. November wird erstmals der Synodale Ausschuss tagen. Wie geschlossen oder offen er angelegt sein wird? Entscheidungen müssen getroffen werden. Aus dem negativen Echo der Kommunikationsabteilung in Rom lassen sich Lehren ziehen.

Synode mit Söding - Tag 19

vom 22. Oktober 2023

Heute ist wieder Sonntag – und die Theologie-Gruppe arbeitet. Die Zeit drängt. Alle Teile des Instrumentum laboris sind einmal besprochen worden. Alle Beiträge in der Synodenaula müssen analysiert und fokussiert werden. Bald gibt es einen ersten Textentwurf, der aber in der Synode noch intensiv weiter besprochen werden muss.

Eine Schlüsselfrage lässt sich direkt aus dem Instrumentum laboris ableiten: Welche Rolle und welche Formen werden in der katholischen Kirche künftig die Bischöfe, welche die Vertretungen des Kirchenvolkes spielen? In Deutschland stehen am 10./11. November der Synodale Ausschuss und der Synodale Rat im Fokus. Anderenorts ist man schon viel weiter.

Am weitesten ist die Entwicklung in Lateinamerika und der Karibik. Dort gibt es schon seit langem kontinentale Bischofsversammlungen. Der Weg des CELAM führte von Rio de Janeiro (1955) über Medellin (1968), Puebla (1979) und Santo Domingo (1992) nach Aparecida (2007). Die Theologie der Befreiung war ein Treiber, sollte gebremst werden und hat doch wieder die Oberhand gewonnen, wenn auch in gewandelter Form. Auf diesem Weg wuchs die Überzeugung, dass sich die Bischofs- zu einer Kirchenversammlung entwickeln müsse. Nicht nur Bischöfe, auch Ordensleute und „Laien“ sollten teilnehmen, als aktive Partner.

Nach der Amazonas-Synode 2019 hat Papst Franziskus die Conferéncia Eclesial da Amazonía (CEAMA) eingerichtet. Der Name ist Programm: In der Kirchenversammlung sind Bischöfe vertreten, aber ebenso „Laien“ und Ordensleute. Nicht zuletzt ist die indigene Bevölkerung integriert. Die CEAMA ist nicht nur ein Repräsentationsorgan oder ein Organisationsinstrument: Sie ist ein synodales Leitungsorgan. Die Leitung ist mit Kardinal Pedro Ricardo Barreto Jimeno (Huancayo) und mit dem „Laien“ Mauricio Lopez Oropeza (Ecuador), der hier als Moderator wirkt, bestens vertreten. Raffael Luciano (Venezuela), der zur Theologie-Gruppe gehört, hat den Prozess intensiv begleitet. Auch Kardinal Lorenz Ulrich Steiner (Manaus) ist in der Synode, der früher zur Leitung der CEAMA gehörte.

Heute Abend treffe ich Birgit Weiler, Theologieprofessorin in Lima, eine missionsärztliche Schwester, die zu den treibenden Kräften und führenden Gestalten der CEAMA gehört. Ich will mit ihr in Ruhe über ihre Erfahrungen sprechen und ihren Rat für die Weiterentwicklung der Synodalität in Deutschland einholen. Sie ist hier, um die Bischöfe aus Lateinamerika vor Ort zu unterstützen. Sie gehört zur Amerindia Gruppe, mit der ich mich schon am letzten Montag getroffen habe. Ich freue mich auf den Austausch.

Am Montag startet die Abschlussphase der Synode wieder im Petersdom.

Synode mit Söding - Tag 18

vom 21. Oktober 2023

Die Synode der katholischen Kirche in Rom ist auch ein ökumenisches Ereignis ersten Ranges.

Erstens wird so etwas wie eine innerkatholische Ökumene sichtbar und hörbar. Man sieht es an der Kleidung, man hört es in den Beiträgen. Es gibt nicht nur die römisch-katholische, es gibt z.B. auch die griechisch-katholische, die syrisch-katholische, die koptisch-katholische, die chaldäisch-katholische, die eritreisch-katholische, die armenisch-katholische, die maronitische, die syro-malabarisch- und die syro-malankarisch-katholische Kirche. Der Kreis zieht sich von Ägypten bis Indien und von der Ukraine bis zum Irak. Heute leben viele Mitglieder in der Diaspora, vor allem in den USA, aber auch in Deutschland, in der unmittelbaren Nachbarschaft römisch-katholischer Gemeinden, häufig ohne richtig bemerkt zu werden. Die katholischen Ostkirchen haben ein eigenes Gesetzbuch des Kirchenrechts; sie haben eigene Riten, sie kennen verheirate Priester. Was ihre wachsende Präsenz tief im Westen bedeutet, ist noch gar nicht richtig abzusehen. In der Synode sind sie mit Delegierten vertreten, die genauso Sitz und Stimme haben wie die römisch-katholischen Mitglieder.

Zweitens sind in der Synodenaula auch andere „Kirchen und kirchliche Gemeinschaften“ vertreten (um den offiziellen Ausdruck der katholischen Kirche zu zitieren). Sie stammen aus der weiten Welt sowohl der Orthodoxie als auch des Protestantismus: Das Ökumenische Patriarchat der Orthodoxie ist da, orthodoxe Schwesterkirchen sind gekommen, der Reformierte, der Methodistische und der Baptistische Weltbund haben Plätze eingenommen; auch die pentekostale Bewegungen haben einen Vertreter. Alle sind offizielle Gäste der Synode und sitzen mit an den Tischen in der Aula. Sie können nicht mit abstimmen. Aber sie haben Rederecht, auch in der großen Generalversammlung. Bei früheren Synoden war ihnen nur ein Grußwort erlaubt; jetzt können sie sich aktiv in die Debatten einbringen: und tun es auch.

In den Beiträgen aus katholischem Mund spielen die innerchristlichen Beziehungen eine große Rolle. Mir fällt auf, wie wichtig in vielen Erdteilen die Beziehungen zur Orthodoxie sind. Wer nur Deutschland vor Augen hat, kann es leicht übersehen. Wer nach Syrien, in den Irak, nach Armenien, in die Ukraine und nach Russland schaut, erkennt, wie überlebensnotwendig eine gute Nachbarschaft, am besten eine Freundschaft ist. Auch die evangelisch-katholischen Beziehungen sind Thema. Allerdings ist der Erfolg der neuen Pfingstkirchen für weite Teile der katholischen Kirche, besonders in Afrika und Lateinamerika, aber auch in Asien, eine echte Herausforderung. Die typische Reaktion: scharfe Kritik an den „Sekten“. Nur wenige fragen selbstkritisch nach den Gründen, weshalb die pentekostalen Bewegungen wachsen.

Die klassischen Partner der Ökumene in Europa und Nordamerika hingegen, der Lutherische und der Reformierte Weltbund, tauchen in den Redebeiträgen der Synodalen nicht auf. Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ wurde kein einziges Mal zitiert, geschweige denn eine Erklärung zur Abendmahlsgemeinschaft wie „Gemeinsam am Tisch des Herrn“. Synoden sind aber nicht nur eine Form, in der die Orthodoxie zusammenkommt, sondern auch der Protestantismus. Die konfessionellen Unterschiede im Verständnis und in der Praxis des Synodalen sind klar. Aber aus einem Dialog lässt sich nur gewinnen.

Ein ganz starkes Zeichen hat der ökumenische Auftakt der Synode gesetzt, die Vigil, das Abendgebet, auf dem Petersplatz am Samstag, bevor die Besinnungstage der Synodalen begonnen haben. Der Papst hat gepredigt. Die Brüder von Taizé haben die Form geprägt. Viele Stimmen aus der weltweiten Ökumene waren zu hören. Wegen der Kardinalserhebungen am selben Tag hat die Vigilfeier weniger Aufmerksamkeit gefunden, als sie es verdient hätte. Aber ihre ökumenische Weite reicht über den Tag hinaus.

Synode mit Söding - Tag 17

vom 20. Oktober 2023

Im Mater Dei, dem Gästehaus der Deutschen Bischofskonferenz, beginnt der Tag um 7.15 mit der Eucharistiefeier. Wer dort wohnt, nimmt teil – es sei denn, es gibt wichtige andere Verpflichtungen. Das Frühstück ist eher deutsch als italienisch geprägt. Seit heute gibt es Brot aus Limburg: Der Bischof hatte Besuch und offenbar einen Wunsch geäußert – und nun teilt er wie ein gütiger Hausvater mit allen, die sich beim üblichen Nescafé für den Tag stärken. Das Haus an der Viale delle Mure Aurelie liegt günstig. Deshalb reicht es, um 8.30 zu starten. Die Zwischenzeit nutze ich, um politisch und kulturell halbwegs auf dem Laufenden zu bleiben – wenn über Nacht nicht noch eine Aufgabe hereingekommen ist, die von der Theologie-Gruppe schnell noch zu lösen ist.

In der Synodenaula – heute ist den ganzen Tag Plenum – geht es um 8.45 los. Mit einem Gebet, entweder italienisch oder englisch, das sich am Stundengebet orientiert. Danach kommt der Moment, dass sich die Teilnehmenden mit ihren Tablets, die von der Synode gestellt werden und immer in der Aula bleiben, einloggen müssen. Dazu braucht es den QR-Code auf der Rückseite des Badges.  – dem Sesam-Öffne-Dich der Synode, das alle wie vatikanische Schlüsselkinder um den Hals tragen: Notwendig schon, um von den Schweizer Garden eingelassen zu werden. Die Beteiligungsdisziplin ist groß: An die 340 Personen sind immer präsent.  

Alle Plenumssitzungen sind nach Themen geordnet, die nacheinander aufgerufen werden. Jeder Abschnitt wird in zwei Phasen besprochen. Zum einen werden in rascher Folge die Berichte aus den Kleingruppen vorgestellt, geordnet nach den Unterthemen des Instrumentum laboris, z.B. zur Frage, wie synodale Strukturen in der Kirche aufgebaut werden können. Danach folgen „freie Interventionen“ zu diesen Themen. Die Disziplin ist groß: Die allermeisten halten sich an die 3 Minuten. Es gibt viele Wiederholungen, wie die Methode erwarten lässt. Aber auch sie haben einen Wert, weil sie Schwerpunkte erkennen lassen: Ausbildung, Autoritätskrise, Beteiligungsrechte … viele Erfahrungen, einige Argumente – viele Vorschläge, einige Ideen zur Umsetzung.

Die Sprachen sind, wie vereinbart: Englisch, Italienisch, Spanisch, Französisch und Portugiesisch. Eine Simultanübersetzung gibt es auch ins Deutsche. Die nutze ich oft, weil meine Aufgabe, wie die aller anderen aus der Theologiegruppe, darin besteht, die wichtigsten inhaltlichen Punkte zu markieren, damit deutlich wird, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen, welche Probleme angezeigt werden und welche Vorschläge gemacht werden, wie man vorankommen kann. Später bekomme ich dann die endgültigen „reports“ aus den Kleingruppen ebenso wie die schriftlichen Fassungen der Interventionen und kann die Schlüsselstellen am Original kontrollieren.

Das Synodenplenum geht vormittags bis 12.30. Danach gibt es das Mittagessen in den Unterkünften. Auf dem Weg komme ich an einer langen Schlange von Autos vorbei, die einen Geheimplatz kennen, wo man an einer Vatikan-Außen-Tankstelle super günstig tanken kann. Im Mater Dei ist die Küche bemerkenswert gut; die Pasta sticht heraus. Die klerikale Siesta gehört in Rom dazu. Ich habe heute die Zeit genutzt, um mich in die Sitzung des ZdK-Hauptausschusses einzuloggen.

Heute Nachmittag geht es von 16-19.15 weiter im Stil des Vormittags. Das Abendessen ist in den Unterkünften (wenn man nicht, wie oft, anderweitig verabredet ist): Im Mater Dei ist es um 20 Uhr. Danach ist frei – wenn nicht noch eine weitere Spezialanfrage in den Mail-Briefkasten flattert oder bei WhatsApp aufploppt.

Morgen ist Samstag. Für die Synode heißt das: Werktag. 

Synode mit Söding - Tag 16

vom 19. Oktober 2023

In der Synode geht es um die künftige Verfassung der Kirche. Welche Rolle wird der Papst, welche werden Bischöfe, welche werden Kleriker und Ordensleute, welche werden vor allem auch Vertretungen des Kirchenvolkes spielen, wenn Synodalität zum Strukturprinzip der Kirche wird, wie Papst Franziskus es vorgeschlagen hat? Die Antworten auf diese Fragen müssen theologisch stimmig sein; denn es geht um einen weiteren Schritt, das Zweite Vatikanischen Konzil in die Gegenwart zu überführen. Bleibt die Kirche bei der absoluten Monarchie als politischem Leitbild? Wird sie demokratische Elemente aufnehmen, um so etwas wie eine konstitutionelle Monarchie zu werden? Oder schafft sie es, aus der Aufarbeitung des Missbrauchs, der Hebung ihrer Ressourcen und der Deutung der Zeichen der Zeit eine eigene Form der qualifizierten Partizipation zu finden? Um diese Frage geht es gerade in der aktuellen Arbeitsphase der Synode.

Die katholische Kirche ist auch eine politische Größe. Viele fordern, dass sie auch durch eine Erneuerung ihrer Verfassung in der Welt von heute ankommen muss. Aber sie darf sich nicht nur auf sich selbst beziehen. Sie ist ein weltweiter Player. Sie muss zeigen, dass Gottes Gerechtigkeit „wie im Himmel, so auf Erden“ Wirkung zeigt.

Die Synode in Rom zeigt ein widersprüchliches Bild. Auf der einen Seite tut sie sich äußerst schwer, ein klares Wort zum Überfall der Hamas auf Israel zu sagen, zum Leid der Opfer, zum Recht auf Verteidigung, zur Geltung der Menschenrechte in Kriegszeiten und zur Gefahr einer unkalkulierbaren Eskalation der Gewalt. Viele Synodale wollen eine solche Erklärung. Sie wissen auch, dass nicht nur im Heiligen Land Krieg herrscht: Ukraine, Kamerun, Südsudan, Mali, Kosovo, Armenien … Die Liste der Schauplätze blutiger Konflikte ist lang und länger. Aus all diesen Regionen kommen Synodalmitglieder; viele beklagen, von der Weltöffentlichkeit vergessen zu sein. Aber die jüdisch-christlichen Beziehungen sind sui generis. Deshalb gibt es Kritik an der Synode, dass sie kein Wort findet.

Auf der anderen Seite ist die Synode sehr aufmerksam für alle Probleme, die durch erzwungene Migration entstehen. Die katholische Kirche ist in den Ländern präsent, aus denen die Menschen fliehen, und in denen, in die sie fliehen. Die Solidaritätsbekundungen sind glasklar. Ein Seenotretter ist Delegierter und hat unter Beifall gesprochen.

Heute Abend gab es ein Gebet „per il miganti e rifiuti“. Der Papst nahm teil, das Gebet stand im Synodenprogramm.  Es fand auf dem Petersplatz statt, und zwar dort, wo seit dem 29. September 2019, dem 105. Welttag der Migranten und Flüchtlinge, eine neue Statue aufgestellt worden ist: Ein hoffnungslos überfülltes Flüchtlingsboot mit Menschen voller Angst und Hoffnung. Der Künstler: Der Kanadier Timothy Schwartz. Der Titel: „Angels Anaware“; unerwartete Engel, gemäß der Mahnung des Hebräerbriefes: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.“

In seiner Predigt legte der Papst das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus: Die Wege der Migranten heute sind so gefährlich wie damals der Weg von Jerusalem nach Jericho. Alle sehen. Viele gehen vorüber. Es kommt aber auch darauf an, zu helfen. Das ist nicht nur eine Sache von Einzelnen. Die Politik ist gefragt.

Auf der Statue wird auch ein verfolgter Jude dargestellt. Das Gebet heute Abend muss der Initiative „Gedenken wir gemeinsam“ verbunden werden. Die erinnert an die an die Deportation der römischen Juden am 16. Oktober 1943  – vor 80 Jahren.

In ihren Gebeten und Riten hat die katholische Kirche ein lebendiges Gedächtnis des Leidens, das politisch relevanter ist als die meisten Einzelentscheidungen. Aber es braucht auch die klaren Worte. Und die entsprechenden Taten.

Synode mit Söding - Tag 15

vom 18. Oktober 2023

Am Mittwoch ist Audienz auf dem Petersplatz. Die Massen strömen. Lange Schlangen bilden sich. Um 8 Uhr morgens ist kein Durchkommen mehr. Vor den Sicherheitsschleusen stehen die Menschen lang die Via di Porta Cavallegeri hoch. Zu den Schweizer Garden, die den eigentlichen Eingang beim „Heiligen Offizium“, dem trutzigen Gebäude der Glaubenskongregation, bewachen, ist kein Durchkommen. Gott sei Dank gibt es einen Schleichweg durch die Porta del Perugino ein wenig den vatikanischen Hügel hinauf.

Heute wurde das letzte Hauptkapitel des Instrumentum laboris  aufgeschlagen. Deshalb stand wieder eine Eucharistiefeier im Petersdom auf dem Programm. Diesmal mit europäischem Akzent. Und das hieß: Gregorianik. Ich höre die Musik gerne, zumal wenn sie exzellent gesungen wird. Aber im Vergleich mit der Musik Afrikas hätte ich mich auch über das eine oder andere neuere Lied sehr gefreut.

Auf dem Weg durch die Porta, die man mit dem Spezialausweis der Synode passieren darf, komme ich an Tausenden von Menschen vorbei: jung und alt, aus aller Herren Länder, in vielen Muttersprachen. Sie wollen auf den Petersplatz, zum Papst, der ein Gebet sprechen, eine Ansprache halten und einem Segen spenden wird. Man muss sich vorher Karten besorgt haben, z.B. beim Deutschen Pilgerzentrum, und kommt dann umsonst auf den, wie viele sagen, spektakulärsten Platz der Welt.

Was mag die Menschen anziehen? Ist es Traditionalismus? Ist es Sensationsgier? Ist es der Herdentrieb? Wohl kaum. Eher ist es der Wunsch, sich zu vergewissern, der katholischen Kirche anzugehören, die so große Räume bespielen und so viele Menschen zusammenbringen kann. Ohne Rom und den Papst gäbe es die katholische Kirche nicht

Wer von den Petersplatzpilgern mag wissen, dass wenige Meter entfernt in der riesigen Aula, die im gewaltigen Gesamtensemble gar nicht so groß scheint, die Weltsynode tagt? Ich gebe mich keinerlei Illusionen hin. Aber eines ist klar: So groß die Synode mit insgesamt über 400 Personen auch ist – sie ist eine riesige Blase. Wer aus ihr nicht herauskommt, sollte das Mandat zurückgeben. Der ganze Aufwand hat nur einen Sinn: dass die Menschen, die sich zur katholischen Kirche rechnen, auch eine größere Chance haben, ihren Glauben in ihrer Kirche ausdrücken zu können. Dass der Klerikalismus überwunden wird. Dass der Machtmissbrauch nicht vertuscht, sondern aufgedeckt wird. Dass Frauen zu ihrem Recht kommen. Dass die Option für die Armen keine Sprechblase ist. Viele Menschen hadern damit, von Gott berufen, von der Kirche aber nicht auserwählt zu sein.

Und wenn ich etwas weiter sehe: Jenseits der Engelsburg ist vom Vatikan in der Stadt Rom nicht mehr allzu viel zu spüren. Aber die Kirche will doch eine Kirche für alle sein. Ich wage nicht, die Zahl derer zu prognostizieren, die gar nicht wissen, dass die Weltsynode stattfindet – und was eine Synode ist. Aber ich will auch klar sagen: So sehr der Fokus auf innerkirchlichen Verfassungsfragen liegt, sind sie nur ein Mittel zum Zweck, Kirche heute zu sein. Von einer Kirche, die nicht auf die Menschen wartet, sondern zu den Menschen unterwegs ist, wird viel gesprochen. Taten müssen folgen. In der Synode können die Weichen dafür gestellt oder verstellt werden.

Synode mit Söding - Tag 14

vom 17. Oktober 2023

Heute Morgen habe ich Irme Stetter-Karp in Rom getroffen. Seit gestern hat sie ein strammes Programm absolviert: Arbeitsfrühstück beim Botschafter am Heiligen Stuhl, Hintergrundgespräch mit Leitmedien im KNA-Büro Rom, Ausstellungseröffnung im Deutschen Pilgerzentrum als Schirmherrin der Ausstellung „Die Bibel in Formen und Farben“, Treffen mit Peter Beer, früher Generalvikar in München, heute Professor an der Gregoriana und Leiter des Forschungszentrums zur Prävention am Kinderschutzzentrum der Päpstlichen Universität. Daneben viele Gespräch vor Ort und unterwegs: Rom ist voll mit Leuten, die an der katholischen Kirche interessiert sind und die Präsidentin des ZdK kennen. Religion und Politik, Kultur und Öffentlichkeit, Prävention und Reform: Das sind identity markers des ZdK, die auch in Rom wichtig sind. Die katholische Kirche in Deutschland wird in Rom genau beobachtet – und umgekehrt. 

Heute begann der Tag mit der Eucharistiefeier und einem Frühstück im Gästehaus der Deutschen Bischofskonferenz. Der Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, hatte Irme Stetter-Karp eingeladen. Alle bischöflichen Delegierten aus Deutschland, die in Rom sind, waren zusammen. In der Tageslesung aus dem Römerbrief: steht „Ich schäme mich des Evangeliums nicht.“ Großartig. Aber wer wollte heute selbstbewusst sagen: „Ich schäme mich der Kirche nicht“? Paulus analysiert scharf das Problem: Menschen verfallen der Sünde, wenn sie Gott sein wollen. Eine Kirche, die Menschen beherrscht, als ob sie Gott wäre, ist sündig. Desto mehr kommt es auf das Evangelium an: Gerechtigkeit vollendet die Barmherzigkeit, Barmherzigkeit vollendet die Gerechtigkeit.

Die Atmosphäre des informellen Gespräches ist mit dem Römerbrief treffend charakterisiert: Das Vertrauen zwischen ZdK und DBK ist gewachsen, auch wenn es sich immer neu bewähren muss. Sich der Kirche nicht mehr schämen zu müssen – das ist eine gemeinsame Hoffnung, die sehr viel Arbeit macht.

Das ZdK ist nicht nur eine nationale Organisation. Es ist weltweit vernetzt: Vor allem durch die Hilfswerke, die in der ganzen Welt und auch in Rom hoch anerkannt sind. Allerdings werden sie als „Bischöfliche“, nicht als „Kirchliche Hilfswerke“ wahrgenommen, die sie aber sind, auch wenn sie anders heißen. Die Themen des Synodalen Weges, die das ZdK stark macht, sind weltweit on top auf der katholischen Agenda. Die internationale Vernetzung auf der „Laien“-Ebene wird stärker. Ich kann kaum noch zählen, wie oft ich im Foyer und bei Rahmenveranstaltungen gehört habe, wie gut es ist, dass es den Synodalen Weg in Deutschland gibt und wie gut es wäre, eine ähnliche Organisation der „Laien“ zu haben wie bei uns.

Das Zeichen, das Irme Stetter-Karp mit ihrem Besuch gesetzt hat, ist deutlich sichtbar geworden: Die Politik ist an der Kirche, die Kirche ist an der Politik interessiert. Das eine gilt es vom anderen klar zu unterscheiden. Aber das eine darf nicht gegen das andere ausgespielt werden. Rom und die katholische Kirche in Deutschland gehören zusammen – auch wenn es sich beide Seiten nicht immer miteinander leicht machen. Das ist nicht neu – aber der Versuch, einen Keil zwischen dem Synodalen Weg in Deutschland und dem der Weltkirche zu treiben, ist gescheitert.

Synode mit Söding - Tag 13

vom 16. Oktober 2023

Heute beginnt in den Schriftlesungen der Werktagsmessen die Serie mit dem Römerbrief. Phoebe aus Korinth hat ihn überbracht und erläutert: Rom hat ziemlich am Anfang seiner Geschichte durch eine Frau Anschluss an die apostolische Überlieferung gefunden.

Phoebe kommt aus Kenchreä, einer Hafenstadt von Korinth. Dort hat Paulus gelebt, als er seine Reise nach Rom geplant hat, die seine Mission in Spanien vorbereiten sollte. In Kenchreä war sie „Dienerin“ – so steht es in der Einheitsübersetzung (Römerbrief 16,1-2). Aber im griechischen Text steht diakonos. Das Wort ist, wie damals üblich, im generischen Maskulinum gehalten. Die Übersetzung lautet: „Diakon“ – oder eben „Diakonin“. Wo im Neuen Testament ein Mann als diakonos gemeint ist, steht im Deutschen „Diakon“. Warum es bei Phoebe anders sein soll? Man kommt auf Gedanken.

Die Mission der Phoebe ist der genau richtige Beitrag zu diesem Tag der Synode. Heute und morgen geht es in den zahlreichen Kleingruppen um die Formen, aber auch um die Subjekte der Sendung. So lange es allgemein bleibt, wird in Rom gerne das Hohe Lied gesunden: Alle sind gesendet, alle haben ihr eigenes Charisma, alle sollen verkünden – vor allem die Frauen.

Wenn es konkret wird, flaut bei vielen die Begeisterung schnell ab. Worauf sich die Synode verständigen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Für wegweisend halten viele die Antwort, die Papst Franziskus – sicher mit Hilfe des neuen Präfekten der Glaubenskongregation – auf die sog. „dubia“, die (gespielten) Zweifel, von fünf Kardinälen, die allesamt längst nicht mehr im aktiven Dienst sind, gegeben hat. Auch was die Rolle von Frauen in der katholischen Kirche angeht. Was die fünf Zweifler wollen, ist klar: keine Debatte über das Schreiben von Papst Johannes Paul II., dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priestern zu weihen; und keinen (sakramentalen) Diakonat für Frauen, weil damit angeblich die Einheit des Weiheamtes verletzt werde.

Aber die Antwort zeigt, dass Argentinien nicht nur im Fußball zu kontern versteht. Drei Pässe werden gespielt.

(1.) Frauenförderung muss mit den Mitteln, die es jetzt schon gibt, entschieden gefördert werden; ein paar Personalentscheidungen bei Spitzenpositionen in der Kurie zeigen das schon – es fehlt nur noch die Ernennung einer Präfektin.

(2) Der sakramentale Diakonat von Frauen ist dogmatisch nicht entschieden. Er ist also auch nicht ausgeschlossen. Die bisherigen beiden Studiengruppen waren so zusammengesetzt, dass eher die Gegensätze herausgearbeitet wurden, als dass Lösungsmöglichkeiten angebahnt wurden. Schauen wir, ob aller guten Dinge drei sind. Viele Mitglieder der Synode, mit denen ich sprechen kann, erwarten eine gute Lösung.

(3) Über das Autoritätsgewicht und die theologische Stimmigkeit von „Ordinatio Sacerdatolis“ ist das letzte Wort noch nicht gesprochen; es braucht also eine offene Diskussion, aber keine Denk-, Sprech- und Lehrverbote.

Der Beschluss auf dem Synodalen Weg in Deutschland war genau so strukturiert – drei Impulse, step by step. Ehe jetzt die Spekulationen ins Kraut schießen, dass der Papst abgeschrieben hat: Es gibt eine Sachlogik, wenn man die Widersprüche zwischen Frauenrechten und herrschender Lehre synodal auflösen will.

Heute Mittag gab es am Rande der Synode ein Treffen von Amerindia. Die Gruppe hat sich bei der Amazonien-Synode gebildet. Sie unterstützt jetzt die lateinamerikanischen Delegierten. Die Gruppe zeigt, dass die Befreiungstheologie lebendig ist: Ökologie, Feminismus, Inkulturation kommen in der Initiative zusammen. Sie zeigt beispielhaft auch , was Frauenpower ist und weshalb die Kirche ohne sie zusammenbricht. Männer sind willkommen – also bin ich hingegangen: und habe sehr viel an Mut und Hoffnung mitgenommen.

Synode mit Söding - Tag 12

vom 15. Oktober 2023

Heute ist der Sonntag der Weltmission – jedenfalls in Rom. In Deutschland wird er am nächsten Sonntag gefeiert.

Synodalität und Mission gehören zusammen – das ist gerade das aktuelle Thema der Synodenberatungen. Gestern sind die Kleingruppen, die nach wie vor mit großem Fleiß und guter Disziplin tagen, intern zu Konsensen gekommen, was sie der Synode vorstellen wollen. Die „esperti“ haben gestern Nachmittag alle schriftlich eingereichten Einzelbeiträge von Teilnehmenden in den Kleingruppen erhalten, so dass ein erster Eindruck da ist, welche Inputs es gegeben hat. Aber erst Morgen, am Montag, wird es mit Berichten aus den Gruppen und mit Einzelbeiträgen inhaltlich weitergehen.

Heute war Zeit, Mission live zu erleben. (Wenn man das Wort „Mission“ englisch ausspricht, klingt es gleich besser.) Der Vizepräsident der Europäischen Bischofskonferenz (CCEE), László Nemet, Erzbischof von Belgrad, hatte mich und zwei weitere Mitglieder der Theologenkommission ins Generalat der Steyler Missionare (SVD) eingeladen, ganz nahe bei Piramide Cestia und Stazione  Ostiense. Die „Steyler“ sind einer der derzeit aktivsten Missionsorden. Es gibt eine Männer- und eine Frauen-Kommunität, zudem eine kontemplative.

Desto wichtiger ist die Frage, was sie unter Mission verstehen und wie sie Mission treiben. Man konnte es dort dreifach sehen: bei katechetischen Einführungen zu SVD-Missionen in Indonesien und Ecuador, beim Gottesdienst selbst und hernach bei einem großen Missionsfest im Park der Zentrale.

„Missione interculturale“ ist das Leitwort: Mission also nicht als Propagandaveranstaltung für die katholische Kirche, sondern als Dialog, in dem das Evangelium Jesu Christi klar zu Wort kommt, aber auch die indigenen und traditionellen Kulturen der Völker zu ihrem Recht kommen. In der Einführung wurde klar: Mission ist im Kern Sozialarbeit. Auch Bildungsarbeit. Da wird der Glaube nicht verschwiegen, aber im Mittelpunkt steht, dass Menschen leben können: mit einer Berufsausbildung, mit einem Dach über dem Kopf, mit Sozialstationen.

Die Liturgie war die lateinische des Zweiten Vatikanischen Konzils. Aber die Sprachen waren Italienisch, Indonesisch, Vietnamesisch, Spanisch, Slowakisch, Englisch, Polnisch, Portugiesisch, auch Deutsch. Anstrengungslos. In einem Konzert der vielen Stimmen, das zeigt, wie vielfältig die Einheit und wie einig die Vielfalt sein kann. Einige Bischöfe aus der Synode waren dort, aber auch andere Synodale. Die Kirche war brechend voll mit jungen und älteren Leuten, ersichtlich nicht nur aus Rom, sondern auch aus dem (von Deutschland aus) Fernen Osten, aus Indien und aus (von Europa aus gesehen) Subsahara.

Das Fest danach war ein Fest, mit Speisen und Getränken aus allen Kontinenten, mit Musik und Tanz, mit vielen Menschen, die fröhliche Gesichter hatten, auch mit kurzen nachdenklichen Gesprächen: Die Krise der Kirche gibt es überall. Überall gibt es aber keineswegs Grund zur Depression, sondern mal größere, mal kleinere Aufbrüche, mit engagierten Jungen und aufgeschlossenen Älteren.

Es gibt nichts zu idealisieren. Der Missbrauch hat auch die Steyler Mission verätzt. Aber es gibt doch diese Momente, in denen es schlicht und ergreifend schön ist, in einer weltweiten Kirche zusammenzugehören, auch wenn die sprachliche Verständigung nicht immer auf Anhieb klappt.

Synodalität und Mission gehören zusammen – darin ist sich die Synode einig. Warum und wie aber die katholische Identität, die aus der Tradition abgeleitet wird, mit der Innovation zusammengeht, die an der Zeit ist: Darüber gehen die Ansichten auseinander.

Der Tag der Weltmission bei den Steylern hat die Richtung gezeigt: für die Freiheit des Glaubens, weil der Heilige Geist die Räume weitet, in denen Menschen zusammenkommen, im Namen Jesu.

Synode mit Söding - Tag 11

vom 14. Oktober 2023

Die Weltsynode soll die Weichen für die Zukunft der Kirche stellen. Aber wo sind die jungen Leute? In der Synodenaula so gut wie gar nicht.

Ja, in der Schlange vor dem Espresso-Stand spricht mich ein 19jähriger Musikstudent aus den USA an, weil er meinen Schlips cool findet (oder sich nur freundlich über einen älteren Herrn aus Old Europe wundert, der ein solches Kleidungsstück trägt …): und ich kann ihm erzählen, dass auf dem Synodalen Weg in Deutschland (den er nicht so richtig wahrgenommen hatte) eine eigene Gruppe von Delegierten „unter Dreißig“ den Ton mitbestimmt hat, was er wieder „cool“ findet.

Und ja, Julia Oşeka, eine 22jährige Studentin aus den USA, hat ein ganz starkes Ausrufezeichen gesetzt, als sie die tragische Geschichte ihrer lesbischen Schwester erzählte, die in der Kirche nur Zurückweisung erfahren hat. Und diese traurige Erinnerung mit strahlenden Augen lebendig werden lässt, weil sie fest an die Erneuerung der katholischen Kirche glaubt. Es fügte sich, dass ihr Beitrag der letzte an einem Synodentag war – hoffentlich verhallt das Echo nicht.

Aber sonst? Durch die Berufung von achtzig Personen, die nicht Bischöfe sind, ist das Durchschnittsalter der Synode ein wenig gesenkt worden. Aber wer kann es sich leisten, als Jugendlicher, als Mutter oder als Vater mit kleinen Kindern, als Mensch mitten im Berufsleben vier Wochen nach Rom zu einer Synode zu kommen?

Desto wichtiger ist die Verantwortung der Älteren. Sie dürfen die Kirche nicht mit den Augen der Vergangenheit sehen. Sie müssen die Anwaltschaft für diejenigen übernehmen, die hier nicht vertreten sind. Für die Zukunft müssen in einer Synode neue Formen gefunden werden, in denen junge Menschen aus der ganzen Welt ihre Stimme erheben können.

An jungen Leuten in Rom fehlt es nicht. Heute Abend hat der BDKJ mit seinen europäischen Partnerorganisationen die Delegation aus Deutschland in einen DACHS-Bau eingeladen. Es wird eng, aber darum geht es ja. Einige Gruppenmitglieder, die aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol dabei sind, habe ich schon kurz bei den Schweizer Garden getroffen. Heute sind auch Bischöfe dabei, und wir haben mehr Zeit – hoffentlich um die Tugend des Hinhörens einzuüben, von der in der Synode immer und immer wieder gesprochen wird. Ich freue mich auf den Abend. 

Synode mit Söding - Tag 10

vom 13. Oktober 2023

Heute begann ein neuer Abschnitt der Arbeit am Instrumentum laboris. Es geht um die Sendung der Kirche – und zwar nicht nur um die Inhalte, sondern um die Räume und Zeiten, in denen das Evangelium verkündet und gehört, geglaubt und weitergegeben werden soll. Vor allem geht es um die Frage, wer zur Verkündigung des Evangeliums fähig und berufen ist.

Wegen des neuen Themas begann der Tag wieder mit einer Eucharistiefeier im Petersdom. Diesmal gab Afrika die liturgischen Töne vor. Der Ritus ist römisch, die Sprachen waren Französisch, Kisuaheli, Englisch und Latein. Den Vorsitz hatte Kardinal Fridolin Ambongo Besungo, ein Kapuziner, der Erzbischof von Kinshasa. Afrikanische Töne, von einer römischen Orgel begleitet, ertönten besonders schön beim Gabengesang.

Die Synode ist eine Weltsynode. Man sieht es an den Gesichtern und Gestalten, den Kleidern, den An- und Aufzügen, den Gesten. Man hört es auch. Am wichtigsten ist, dass die Erfahrungen, die Berichte, die Überlegungen, die in Teilen dieser Welt wichtig sind, zu Gehör kommen. Wenn eine junge Frau aus Ozeanien von den direkten Folgen der Klimakrise auf das Leben der Menschen und damit auch auf das Leben der christlichen Gemeinden spricht, merke ich, dass es ernst ist und dass ich stärker bewegt bin, als wenn ich Statistiken oder Artikel lese. Wenn ein frisch ernannter Kardinal aus dem Süd-Sudan über den schrecklichen Krieg in seinem Land spricht, kann man eine Stecknadel zu Boden fallen hören – und die Fragen, wie die Kirche gestaltet sein muss, damit sie die Zeichen der Zeit erkennt, werden nicht unwichtiger, sondern wichtiger.

Der globale Süden ist in der Synode kein Thema, über das gesprochen wird. Er spricht selbst, mit starken Voten. Das ist ein Pfund, mit den die Synode wuchern kann.

Heute Abend geht es zu missio, zu einem weltkirchlichen Austausch. Am 5. Oktober war Birgit Mock, ZdK-Vizepräsidentin, dort und hat Flagge gezeigt. Diesmal findet das Gespräch hinter verschlossenen Türen statt.

Über die Öffentlichkeitsarbeit der Synode braucht es noch einmal einen eigenen Blog. Später.

Synode mit Söding - Tag 9

vom 12. Oktober 2023

Die Synode ist nicht nur ein kirchliches, sondern auch ein politisches Ereignis. Heute Mittag habe ich die üppig bemessene Siesta der Synode in der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl verbracht – aber keine Siesta gehalten. Der Botschafter, Dr. Bernhard Kotsch, hatte geladen, 20 Gesandte diplomatischer Vertretungen aus Europa sind der Einladung gefolgt: Ein Gespräch über den Synodalen Weg in Deutschland.

Die Brisanz ist groß: Die kritischen Briefe aus dem Vatikan haben viele irritiert, auch in der Welt der Politik. Der Synodale Weg in Deutschland, der systemische Antworten auf den systemischen Missbrauch geistlicher Macht entwickelt, ist auch ein politisches Ereignis, weil die Kirche in den letzten Jahrzehnten viel zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beigetragen hat und die Politik kein Interesse an einer geschwächten Kirche hat, so genau sie die Trennung von Staat und Kirche beachten muss.

Ich habe in einer kurzen Rede zuerst die synodalen Traditionen, die wir in Deutschland seit langem haben, in die politische und ökumenische Landschaft eingeordnet: Der Synodale Weg ist ein konsequenter Schritt gewesen, dem weitere folgen werden. Vor allem habe ich erklärt, dass das ZdK, aus einer demokratischen Revolution hervorgegangen, bei seinen vielen Wandlungen eine unabhängige Organisation der katholischen Vereine, Verbände und Räte geblieben ist – nicht von der Bischofskonferenz gegründet, aber von ihr anerkannt. Diese Konstellation ist in der Welt ungewöhnlich bis unbekannt. Ohne sie hätte es den Synodalen Weg nicht gegeben.

Ich habe zweitens den Anlass, die Missbrauchsstudie, in Erinnerung gerufen – mit dem Hinweis auf das gesamtgesellschaftliche Problem und seine spezifisch kirchlichen Formen. Mit der Bemerkung, dass sich viele in der Kirche schwer damit tun, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

Drittens habe ich betont, dass sich die katholische Kirche in Deutschland nicht von anderen Kirchen und von „Rom“ absondert, sondern sich als Teil der Weltkirche sieht, aber auch klar ihre Verantwortung in und für Deutschland wahrnimmt.

Das anschließende Gespräch war lang und gut: interessierter Respekt, nachdenkliche Neugier und weiterführende Nachfragen. Eine solche Runde ist nicht selbstverständlich, aber wichtig. Dem Botschafter habe ich für die Initiative herzlich gedankt.

Hier können Sie mein kurzes Statement nachlesen. 

Synode mit Söding - Tag 8

vom 11. Oktober 2023

Was ändert sich durch die Synode? Der Papst und diejenigen, die für die Organisation der Synode verantwortlich sind, haben kein klares Ziel vorgegeben, wie katholische Synodalität in zwei, in zehn, in zwanzig Jahren aussehen soll. Diese Offenheit ist Chance und Risiko zugleich. Sie zeigt, wie überfällig es ist, dass sich die katholische Kirche davon Rechenschaft ablegt, in welchen neuen Formen sie grundlegende Entscheidungen treffen will – und dass sie Konsequenzen zieht. Die Themensetzung und die Form der Synode markieren ein: Wir haben verstanden, dass wir noch nicht verstanden haben, aber verstehen müssen.

Wohin soll die Reise gehen? Es gibt nicht den einen großen Wurf für alle. Wenn es gut geht, schafft die Synode Räume für verschiedene Möglichkeiten. Die Erwartungen und die Befürchtungen sind stark – aber durchaus gegenläufig. Aus diesen Spannungen positive Energie zu gewinnen, wird nicht ganz leicht.

Die Arbeitsgrundlage, das Instrumentum Laboris, war in früheren Synoden schon ein ausgeführter Text, so etwas wie die erste Vorlage für das programmatische Abschlussdokument. Man konnte an der einen und anderen Stelle Vorschläge für Veränderungen machen, aber das Wesentliche stand bereits fest, vorgegeben durch diejenigen, die vom Papst in die Synodenkommission berufen worden waren, bevor die Synode zusammentrat (die eine reine Bischofssynode war).

Diesmal ist es anders. Das Instrumentum Laboris enthält zwar eine kurze thematische Eröffnung (Teil A). Aber dann geht es (Teil B) in drei Schritten auf den Weg der Konkretisierung: Gemeinschaft – Mission – Teilhabe. Zu diesen Themenfeldern finden sich im Instrumentum vor allem Fragen. Sogar „Arbeitsblätter“ gibt es. Ich gestehe: Das habe ich am Anfang unterschätzt, weil ich bisher den anderen Stil kannte.

Aber es geht dieses Mal tatsächlich darum, die Synode als einen Ort des Hinhörens und des Austausches zu gestalten, damit Entscheidungen besser als früher vorbereitet werden. Ob das gelingen wird? Die kirchlichen Situationen und Kontexte sind so unterschiedlich, dass es ganz unterschiedliche Geschwindigkeiten und Richtungen gibt. Für die einen ist es eine beglückende Erfahrung, in der katholischen Kirche überhaupt einmal laut sprechen zu dürfen; andere kennen das längst und drängen auf Entscheidungen – und sollten nicht erwarten, dass Andere, wenn sie Entscheidungen treffen, zu genau denselben Ergebnissen wie sie selbst gelangen.

Wird die katholische Kirche diese Vielfalt aushalten? Wird sie Diversität nur dulden? Kann sie lernen, ihren Reichtum zu genießen? Ist sie bereit, Unterschiede zu machen, ohne auseinanderzubrechen? Auf diese Fragen braucht es Antworten.

Synode mit Söding - Tag 7

vom 10. Oktober 2023

Die Tischgruppen in der Synodenaula sind neu zusammengesetzt, nach Sprachgruppen und thematischen Schwerpunkten, moderiert von „Vizepräsidenten“ auf Zeit, unterstützt von „facilitators“. Morgens tagen die Kleingruppen, nachmittags kommt die ganze Versammlung wieder zusammen. Zuerst für Berichte aus den Circuli minores, dann für freie Interventionen. Die Theologie-Gruppe produziert derweil Textbausteine für eine Zusammenfassung und Aufbereitung der Synodenbeiträge in der ersten Phase (Teil A des Instrumentum laboris: Grundlagen). Die richtigen Themen, denke ich, sind identifiziert. Doch die Stile, Theologie zu treiben, sind unterschiedlich und müssen aber so gut wie möglich zusammengeführt werden. Das wird noch spannend.

Die Synode spricht vor allem Englisch und Italienisch, aber auch Spanisch, Französisch und Portugiesisch. Deutsch ist nicht mehr offizielle Synodensprache, auch wenn es eine Simultanübersetzung ins Deutsche gibt.

Die Sprachenfrage ist hoch politisch. Die Gewichte in der katholischen Kirche sind verschoben. Englisch ist die wichtigste Weltsprache der Gegenwart, auch wenn viele aus Lateinamerika und Osteuropa die Sprache nicht lieben. Spanisch ist die katholische Sprache Nr. 1. Der globale Süden gewinnt an Gewicht. Asien wird immer stärker. Das Selbstbewusstsein der Delegierten, die von dort kommen, wo die Kirche wächst, ist sehr groß.

Deutsch war in den früheren Synoden immer wichtig: nicht nur für Deutschland, Österreich und die Schweiz, sondern auch für Osteuropa, für den Balkan und den Nahen Osten. Keine andere Sprachgruppe war diverser als die deutsche. Auch diesmal wäre sicher mehr als nur eine deutsche Sprachgruppe zusammengekommen.

Es hilft aber nicht, zu jammern. Dass es keine deutsche Sprachgruppen mehr gibt, hat auch Vorteile: Die Synodenmitglieder mit Deutsch als Muttersprache verteilen sich sehr gut auf andere Sprachräume. Dadurch nehmen sie direkt auf, was und wie andere denken – und können ihrerseits die eigenen Erfahrungen im direkten Gespräch mit anderen einbringen.

Früher war es leicht, präzise Texte auf Deutsch zu formulieren, aber schwer, sie über die Hürde der Sprachbarrieren zu hieven. Heute ist es für Deutschsprachige wichtig, die genaue Bedeutung von Schlüsselbegriffen in anderen Sprachen zu lernen. Das geht, erfordert aber große Aufmerksamkeit.

Als Neutestamentler denke ich bei der Sprachenfrage an Pfingsten. Es gibt keine privilegierten Sprachen. Alle Muttersprachen dieser Welt sind gleichberechtigt, in allen kann Gottes Wort auf menschliche Weise gleich gut ausgedrückt und verstanden werden.

Die Sprache der katholischen Kirche ist weder Babylonisch noch Esperanto. Die Sprache der katholischen Kirche ist die Übersetzung – und das nicht nur im linguistischen Sinn des Wortes.

Synode mit Söding - Tag 6

vom 9. Oktober 2023

Die Welt steht in Flammen. Jetzt herrscht auch in Israel Krieg. Die Synode hier in Rom mag manchen wie eine Insel der Seligen erscheinen. Aber das ist sie nicht. Zum einen soll sie sich mit der Krise der Kirche befassen. Zum anderen gibt es Fenster zur „Welt draußen“, wie hier einige tatsächlich sagen.

Gestern hat der Papst beim sonntäglichen Angelus auf dem Petersplatz klare Worte der Kritik an religiös aufgeladener Gewalt gefunden. Heute begann die Synodenversammlung mit einem Gebet um Frieden im Heiligen Land. Aber schon vorher wurde ein Zeichen gesetzt: durch die Feier der Eucharistie am Morgen im Petersdom.

Zu Beginn eines jeden der großen Kapitel in den Beratungen ist diese Feier vorgesehen. Heute war es wieder soweit. Die ersten Tage der Synode dienten der allgemeinen Orientierung: Was wird rundum in der katholischen Welt als Synodalität erfahren, verstanden und gestaltet? Jetzt wird es Schritt für Schritt konkreter. Der große zweite Teil beginnt (Instrumentum Laboris B): Wie kann die katholische Kirche eine Gemeinschaft sein, die Gott ausstrahlt? Was alles dagegen spricht, ist schnell aufgezählt – und so schnell kommt man nicht ans Ende. Gibt es auch positive Signale?

Der Gottesdienst wurde im byzantinisch-katholischen Ritus gefeiert – die Göttliche Liturgie des Johannes Chrysostomus. Der Vorsteher war der Patriarch der Melkiten, Joseph Absi mit Sitz in Damaskus. Die Predigt hielt Kardinal Béchara Pierre Raï aus Beirut, der maronitische Patriarch „von Antiochien und des ganzen Orients“. Melkiten und Maroniten haben sich früher als Konkurrenten gesehen – heute feiern sie die Liturgie zusammen. Beide sind im Libanon zuhause – in einem zerrissenen Land direkt bei Israel. Beide sind mit Rom uniert – und behalten ihre eigene Liturgie ebenso wie ihr eigenes Gesetzbuch bei.

Die Geschichte der Kirche im Osten und Westen ist seit mehr als tausend Jahren von Missverständnissen und Misstrauen geprägt, auch von Gewalt und Krieg. Umso wichtiger ist es, dass Kirchen des Ostens Friedenskirchen geworden sind, aus leidvoller Erfahrung. Sie sind Brücken in die Orthodoxie; sie vertreten Minderheiten, die unter Druck stehen; sie vermitteln die semitische Kultur mit der lateinischen, ob sie nun griechisch-katholisch oder syrisch-katholisch sind.

Ja, die Göttliche Liturgie mag vielen fremd erscheinen, die nur die Eucharistiefeier im Stil des Zweiten Vatikanischen Konzils kennen (und die auch ich besonders liebe). Die von den Vatikan-Zeremoniaren organisierte Sitzordnung in der Kirche ist klerikal, nicht synodal. Im byzantinischen Ritus wird dasselbe Geheimnis des Glaubens gefeiert – aber anders. Die griechische Sprache lebt auf, heute mit der italienischen und der französischen verbunden. Der Altarraum ist voll von Männern in den prächtigen Klerikergewändern des Ostens. Kronen schmücken die Häupter der wichtigsten Zelebranten. Der Chor – allesamt gleichfalls Männer – wiederholt immer und immer wieder die altbekannten Formeln des Glaubens: Vergewisserung der eigenen Identität, Verkündigung des dreieinigen Gottes, Akklamation der Dogmen ökumenischer Konzilien. Es gibt Prozessionen und Gebete der Kleriker. Das Weihrauchfass wird geschwungen – und dazu erklingen Glöckchen. Kerzen leuchten, Ikonen stehen im Altarraum: ein Bild des Himmels auf Erden – das ist die Idee.

Auch diese Sprache ist katholisch. Wer sie nicht versteht, wer eine andere Sprache lieber spricht: Wichtig ist, dass die Stimme des Orients erklang. Wichtig ist, dass nicht Kriegsgesänge ertönten, sondern Friedensmelodien erklangen. Wichtig ist, dass die Liturgie Ost und West verbindet, Rom und Israel, das Heilige Land der Zeit Jesu und die Welt heute. Und: Die Predigt des Patriarchen hatte es ins sich: Wer noch sagt, „die Deutschen“ gingen einen Sonderweg, wenn Sie sich mit Frauenrechten, mit Inklusion und mit Partizipation befassen, wird eines Besseren belehrt.

Der Gottesdienst wurde am Altar der Kathedra Petri gefeiert, in der riesigen Apsis des Petersdomes, noch hinter dem Hochaltar: ein privilegierter Ort. Aber während der gesamten Liturgie war – wie von einem Bienenschwarm – aus dem Kirchenschiff das Stimmensummen der Menschen zu hören, die den Dom besuchen: eine Erinnerung daran, dass die Liturgie kein Rückzugsort bleiben darf, sondern eine Aufbruchsstation werden soll.

Die Synode muss ihren Teil dazu beitragen, Kriege zu beenden und Frieden zu stiften. Und bei sich selbst anfangen, mitten in der Kirche.

Synode mit Söding - Tag 5

vom 8. Oktober 2023

Heute ist Sonntag. Für die Delegierten der Synode heißt es: „vacanza“. Aber die Theologie-Gruppe arbeitet. Um 9 Uhr war im Sekretariat für die Bischofssynode, Via Conciliazone 34, die Eucharistiefeier. Danach startete das Arbeitsprogramm: allgemeine Diskussion, Themenverteilung, Produktion von Texten. Deadline: Mitternacht.

Es gibt 27 „esperti“, alle vom Papst (via Synodensekretariat) berufen. Vom letzten Sonntag bis Dienstag ist das Team ins Trainingslager hier in Rom gegangen, um sich mit den Texten und Themen vertraut zu machen, die in den bisherigen Phasen des weltweiten Synodalprozesses entstanden sind. Die Aufgabe der Gruppe hier vor Ort: Sie soll genau zuhören, was in den Plenaria gesagt wird; sie soll alle Texte aus den Gruppen lesen, möglichst auch die Einzelbeiträge aller Synodalmitglieder, die in die Gruppen eingebracht worden sind; sie soll alles genau reflektieren, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen; sie soll besonders betonte, aber auch vernachlässigte Themen markieren – und dann soll sie einen Text vorbereiten, mit dem sich die Synode insgesamt identifizieren kann.

Die Gruppe ist international. Aus Deutschland kommt noch Myriam Wijlens, eine gebürtige Niederländerin, die in Erfurt Kirchenrecht lehrt. Die anderen Mitglieder stammen aus Argentinien, Australien, Burkina Faso, Belgien, Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Kanada, Libanon, Österreich/Ungarn/Rumänien, Spanien, Venezuela. Die Hauptsprachen sind Italienisch und Englisch. So gut wie alle theologischen Fachrichtungen sind vertreten, vom Alten und Neuen Testament bis zum Kirchenrecht, von der Kirchengeschichte bis zur Pastoraltheologie, selbstverständlich auch hinreichend Systematische Theologie, besonders Dogmatik. Das Durchschnittsalter: eher gehoben (wozu auch ich beitrage).

Fast alle Mitglieder sind Profs. Die theologischen Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Die Mitglieder kommen aus verschiedenen Kulturen; sie arbeiten an staatlichen und an kirchlichen Fakultäten, an Instituten und an Seminaren. Viele habe Erfahrungen in den kontinentalen Versammlungen gemacht. Viele haben schon über Synodalität nachgedacht und publiziert. Alle stehen dem Projekt des Papstes, Synodalität auf katholisch zu buchstabieren, positiv gegenüber. Ob es Interpretationskonflikte geben wird? Ich bin gespannt und denke: Es kann etwas werden.   

Wissenschaftliche Theologie muss immer kritisch sein; sie muss immer Alternativen denken. Aber sie ist nicht l’art pour l’art. Sie hat auch die Aufgabe, die Kirche sprachfähig zu machen. Die Synode ist ein Ernstfall. Hoffentlich wird sie ein Glücksfall.

Synode mit Söding - Tag 4

vom 7. Oktober 2023

Die erste Etappe der römischen Weltsynode ist geschafft. Zu Beginn ging es um eine Vergewisserung, wo wir stehen (Teil A des Instrumentum laboris): Ist die Lage der Kirche im Vorbereitungsdokument richtig beschrieben worden? Ist die Entwicklung von „Synodalität“ eine angemessene Reaktion auf die Krise? Welche Vorstellungen von Synodalität stehen im Raum, welche Erwartungen und welche Befürchtungen? Mein Eindruck: Der Auftakt ist gelungen.

Meine Überlegung heute: Wer hat gesprochen?

Aus den Kleingruppen wurde berichtet, und es gab freie Beiträge. Mit bemerkenswerten Unterschieden, was die Verteilung der Sprechrollen anbelangt.

Papst Franziskus hat nicht nur Bischöfe, sondern auch 80 weitere Personen als Vollmitglieder der Synode berufen. 1/7 der Mitglieder sind weiblich – das ganze Bild der Synode verändert sich durch diese Berufungen deutlich, ganz zweifellos zum Vorteil.

Bei den Berichten aus den 36 Kleingruppen war der Wind des Wandels schon leicht zu spüren. Nur knapp die Hälfte der Berichte kam von Bischöfen, immerhin etwas mehr als die Hälfte von Priestern, Ordensleuten und Laien (wie sie hier heißen). Beachtlich: Elf Mal hat eine Frau als Sprecherin das Wort ergriffen. Man mag schmunzeln oder mit den Achseln zucken: Das ist in Rom eine Nachricht.

Ich schreibe „nur“ und „immerhin“ und „beachtlich“, weil es bei früheren Synoden undenkbar gewesen wäre, dass andere als Bischöfe die Gesamtverantwortung für eine Kleingruppe der Synode übernommen hätten. Der Frauenanteil muss perspektivisch sicher deutlich gesteigert werden. Er lag aber bei den „speakers“ signifikant höher als in der Gesamtversammlung. Mal sehen, ob dies so bleibt.

Bei den freien Interventionen war die Verteilung deutlich anders. Nahezu ausschließlich ergriffen diejenigen das Wort, die sich routiniert auf Synoden bewegen: Kuriale, Kardinäle, Bischöfe mit römischen Erfahrungen. Bei über 50 Statements kamen keine zehn Wortmeldungen von „Laien“ und keine fünf von Frauen. Damit die Gespräche wirklich „frei“ sind, muss noch einiges passieren – und wird es hoffentlich auch.

Die Aufgabe des „Experten“: Alles hören, das Wichtigste notieren, alles noch einmal nachlesen – und dann in der Theologie-Gruppe Vorschläge für Vorlagen zu den Themen machen, die sich die ganze Synode zu eigen machen kann.

Morgen mehr dazu. 

Synode mit Söding - Tag 3

vom 6. Oktober 2023

Heute ist der ganze Tag für die Synodenaula reserviert. In zwei Wellen, vormittags und nachmittags, kommen die Berichte aus den Kleingruppen, die gestern getagt haben. Sie sollen die Situation reflektieren, in der sich die katholische Kirche befindet. Und es gibt zwei Zeitfenster für freie Diskussionsbeiträge. Die Statements dürfen nicht länger als 3 Minuten sein. Die Uhr läuft mit. 30 Sekunden vor Ablauf ertönt eine elektronische Glocke, 15 Sekunden vorher ein Doppelschlag. Dann springt die Uhr ins Rote – nicht alle bekommen es mit, aber bislang hat noch niemand so lange überzogen, dass der Saft abgedreht wurde, wie ich es aus früheren Synoden kenne.

Wie im Regelwerk vorgesehen, werden die Beiträge nicht veröffentlicht. Das ist schade. Sie geben einen guten Einblick in das, was die Synodalmitglieder bewegt. Vieles wird auch in den Kaffeepausen besprochen, die sehr wichtige Kommunikationsorte sind. (Der Espresso ist gut – die Dolci lachen alle an; aber ich widerstehe, um nicht mit zu viel Gepäck die Rückreise anzutreten). Was im Foyer vor der Aula besprochen wird, aus vielen Ländern dieser Welt, deckt sich zu einem guten Teil mit den Themen in der Aula. Der Smalltalk steht nicht unter dem Päpstlichen Geheimnis – wie allerdings auch die Synode insgesamt nicht, obgleich viele es befürchtet haben.

Die Stimmung ist gut. Die allermeisten Beiträge sind konstruktiv, allerdings auch noch ganz offen. Was besprochen wird, lässt sich schlüssig aus dem Instrumentum laboris ableiten. Synodalität macht die Würde und Berufung aller Getauften stark. Die weitaus meisten Mitglieder der Synode sind Bischöfe. Selbstverständlich steht die Frage im Raum, wie sich die Berufung aller, den Glauben zu leben und die Kirche mitten in der Welt aufzubauen, zur Kompetenz der Amtsträger verhält.

Allzu problemorientiert wird die Beziehung nicht erörtert. Ein zentrales Stichwort lautet in der deutschen Simultanübersetzung „Bildung“. In den anderen Sprachen aber heißt es: „formation“, „formazione“, „formación“. Das ist nicht dasselbe. Der Unterschied zeigt die Herausforderung.

Das Wort „Bildung“ gibt es nur auf Deutsch. Es geht auf den mittelalterlichen Mystiker Meister Eckhart zurück, der den Apostel Paulus interpretiert. Bildung ist eine gekonnte Gestaltung, wie ein Handwerk, das gut ausgeübt wird. Seit Humboldt ist die Pointe die Verbindung von Welt- und Ich-Bezug. „Formation“, „formazione“, „formación“ hingegen ist eher Ausbildung als Bildung: Jemand gibt vor, wohin die Reise gehen soll; das Ziel steht fest – nur die Art und Weise, es zu vermitteln und zu erreichen, steht zur Debatte.

An der sprachlichen zeigt sich die grundlegende Frage: Wie werden und sollen die Taufwürde und die Taufberufung in der katholischen Kirche entfaltet und entwickelt werden? Durch Leute, die wissen, was für andere richtig ist und sie „auf den rechten Weg“ leiten? Oder durch einen Weg der Selbstbestimmung, also der Freiheit, zusammen mit anderen: in der Nachfolge Jesu? Gibt es eine Kirche, in der die einen lehren und die anderen lernen? Oder gibt es eine Kirche, in der sich alle zusammen, wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Aufgaben, auf den Weg machen, die befreiende Wahrheit des Evangeliums zu entdecken? Nur im zweiten Fall ist die Kirche synodal. Wird das zum Thema werden? Das Gespräch geht weiter.

Morgen, am Samstag, arbeitet die Synode vormittags. Diejenigen, die zur Theologie-Gruppe gehören, sollten sich für den Rest des Tages und den Sonntag nichts anderes vornehmen: Sie sind fest gebucht für die Hintergrundarbeit: Reflexion des Gesagten, Vorbereitung des Dokuments, das gemeinsam beschlossen werden soll.

Synode mit Söding - Tag 2

vom 5. Oktober 2023

Heute tagten zum ersten Mal die über 30 Kleingruppen, die nach Interessensgebieten und Sprachkenntnissen bunt gemischt sind: Ordensleute, „Laien“, Kardinäle, Bischöfe, jeweils moderiert von Personen, die vom Synodensekretariat ausgewählt worden sind.

Die Aufgabe der Kleingruppen: Die Mitglieder sollen einbringen, was aus den Erfahrungen in den eigenen Ländern für die Synode wichtig sein kann. Sie sollen reflektieren, was im Instrumentum laboris aufgenommen wurde oder fehlt. Sie sollen darüber sprechen, wo Spannungen im Raum stehen. Sie sollen noch nicht Lösungen diskutieren, aber sich vergewissern, wo der Schuh drückt und wo der Weg ins Offene verlaufen kann.
Es ist eine tour d’horizon: als Auftakt für eine bessere Orientierung. Ab morgen wird in der Synodenaula aus diesen Gruppen berichtet werden.

Die Theologie-Gruppe der „esperti“ nimmt an diesen ersten Beratungen der Kleingruppen nicht teil, wird aber alle Ergebnisse analysieren und in die Gruppen zurückspiegeln. Dort können dann weitere Klärungen erfolgen, bevor Vorschläge gemacht werden, in welcher Sprache und mit welchen Themen Teil A des Instrumentum laboris – die allgemeine Eröffnung – zu einem gemeinsamen Text der Synode werden kann.

Was wird in den Kleingruppen wichtig werden? Ich bin gespannt. Ein wunder Punkt ist der Missbrauch geistlicher Macht in der Kirche: sexualisiert, spiritualisiert, ideologisiert – vielfach vertuscht. Wer die Berichte der Kontinentalversammlungen und das Instrumentum laboris liest, erkennt: Das Thema ist präsent, aber nicht betont. Eine entscheidende Erkenntnis aller wissenschaftlichen Studien, nicht nur in Deutschland, lautet: Es gibt individuelles Fehlverhalten in einer viel zu großen Zahl, das straf- und kirchenrechtlich sanktioniert werden muss. Es gibt aber auch ein Systemproblem, das Untaten begünstigt, die Opfer verhöhnt und die Täter schützt, um die Institution Kirche nicht zu beschädigen.

Der Blick in die USA, nach Irland, nach Frankreich und Deutschland, in die Schweiz, demnächst auch nach Polen und in viele andere Länder zeigt: Genau durch dieses Taktieren wird die Axt an die Wurzel der Kirche gelegt. Der Glaube selbst wird attackiert. Er muss von Menschen bezeugt werden, die glaubwürdig sind. Wenn denen nicht vertraut werden kann, die qua Amt die Kirche leiten, ist das Ergebnis vorhersehbar: Eine weitere Schuld, zu allem anderen Versagen hinzu.

Die Betroffenen kirchlichen Missbrauchs sind in der Weltsynode nicht offiziell vertreten. Es wird wichtig sein, morgen zu hören, welchen Stellenwert das Thema in den kleinen Gruppen gehabt hat – und wie deutlich es in der Versammlung angesprochen wird.

Ich habe heute die freie Zeit, die ich als „Experte“ hatte, genutzt, um Pater Hans Zollner von der Gregoriana zu treffen Er leitet an der Päpstlichen Universität das Institut für Anthropologie. Er ist einer der Vorkämpfer, der aus der Perspektive der Betroffenen mit den Augen der Psychologie, aber auch der Theologie die Analyse des Missbrauchs geschärft hat, besonders an Kindern. Er hat Ausbildungskurse entwickelt, um diejenigen, die in den Kirchen verantwortlich sind, zu befähigen, das Phänomen richtig einzuschätzen, in Gerichtsverfahren die Wahrheit ans Licht zu bringen und Betroffenen dabei zu unterstützen, mit dem fertigzuwerden, was man ihnen angetan hat.

Auf dem Synodalen Weg in Deutschland musste erst eine Form gefunden werden, die Stimme der Betroffenen hörbar zu machen. Auf der römischen Weltsynode gibt es noch keine Form, die ich erkennen könnte. Desto wichtiger wird es sein, den wunden Punkt nicht zuzupflastern, sondern einen Heilungsprozess zu beginnen, der die Personen nicht instrumentalisiert und die kirchlichen Konstellationen erneuert.

Synode mit Söding - Tag 1

vom 4. Oktober 2023

Die Synode beginnt: strahlend blauer Himmel, wie es sein soll. Schon der Beginn auf den Petersplatz ist ein kleines Zeichen: nicht nur die Kardinäle, die Bischöfe, die Priester ziehen ein, sondern alle Delegierten und alle, die mitarbeiten. Allerdings in der „schönen Ordnung“ traditioneller Fronleichnamsprozessionen, nach Ständen getrennt. In der Aula ist es dann anders: schön gemischt, geordnet nach Sprachgruppen. Und die „Theologie“ am Katzentisch – sehr privilegiert, nämlich mit vollem Überblick von der Peripherie aus.

Heute ist der Festtag des Hl. Franziskus. Der Papst hat Namenstag. Und die Liturgie liefert die Texte, die für die Synode wichtig sind: Aus dem Matthäusevangelium der Jubelspruch Jesu und seine Einladung an die Mühseligen und Beladenen (Mt 11,25-30). In seiner Predigt achtet der Papst auf den Kontext. Der Täufer Johannes fragt: „Bist du es, der da kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Und Jesus konnte antworten, indem er seine heilenden Worte und Taten im Licht des Propheten Jesaja beschrieb.

Unausgesprochen liegt die Frage im Raum: „Bist du die Kirche, die Jesus gewollt hat? Oder müssen wir auf eine andere warten?“ Und was könnte die Kirche heute antworten?

Der Papst stellt die Frage nicht direkt, aber indirekt. Ja, die Synode sei kein Parlament, in dem um Mehrheiten gekämpft wird. Ja, es gehe nicht darum, einer Reformagenda zu folgen. Aber die Synode ist ein Gespräch auf dem Weg der Nachfolge. Also muss und wird sich etwas ändern. Die Optionen, so Franziskus, müssen klar sein: für die Armen, für die Marginalisierten. Sie können die Antwort auf die Frage geben, wer die Kirche ist. Die Kirche soll segnen, nicht verfluchen. Die Kirche besteht aus Sündern, die Vergebung erfahren haben. Sie muss gastfreundlich sein. Die Kirche soll wahrnehmen, wo und wie der Heilige Geist wirkt. „Der Heilige Geist bricht dann oftmals unsere Erwartungen, um etwas Neues zu schaffen, das unsere Vorhersagen und unsere Negativität übertrifft.“

Die Motive sind nicht neu – hier wirken sie motivierend. Der Papst stellt Fragen und gibt einen weiten Rahmen vor. Er gibt keine Antworten vor. Das ist nicht schlecht. Aber es wird Antworten brauchen.

Heute ist aber nicht nur der Start der Synode. Das Lehrschreiben des Papstes über die Bewahrung der Schöpfung wird vorgestellt, die Fortsetzung von „Laudato si“ – mit kernigen Botschaften: Die Ökologie ist in der Christologie verankert.

Ist das zu viel auf einmal? Ich denke, dass es ein gutes Zeichen ist: Die Kirche beschäftigt sich nicht nur mit sich selbst. Sie sieht sich als eine globale Kraft, die für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung eintritt. Das ist eine gute Botschaft: Die katholische Kirche paktiert nicht mit autoritären Regierungen, nicht mit Leugnern der Klimakrise, schon gar nicht mit Verschwörungstheoretikern. Sie will die Stimme der Vernunft sein.

Innen- und Außenpolitik gehören zusammen. Was der Papst an Verantwortung und Nachhaltigkeit von der Weltwirtschaft einfordert, muss sich auch die Kirche zu eigen machen.

Am Ende des ersten Beitrags sollte ich klarstellen: Ich halte mich streng an die Kommunikationsregeln, die hier ausgegeben werden – auch wenn ich mir meinen Teil denke. Ich plaudere nichts aus – aber ich plaudere auch nicht nur. Diskretion ist selbstverständlich. Aber dort, wo die Synode öffentlich sichtbar und hörbar wird, dort will ich versuchen, zu analysieren, zu kontextualisieren, zu interpretieren.

Und noch etwas: Nicht jeder Blog wird so lang wie dieser.

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